Eine Augenoperation für nur 30 EUR durchführen und anschließend kann ein blinder Mensch wieder sehen – das ist für mich als Augenärztin ein unvergessliches Erlebnis! Ich durfte dies während meiner ersten Reise nach Tansania erleben, auf der ich Dr. Raimund Balmes im Sommer diesen Jahres begleitet habe.
In Kooperation mit der augenärztlichen Abteilung des St. Benedict-Hospital in Ndanda hatte er einen viertägigen Außeneinsatz im Bergland zum Nachbarland Mosambik organisiert, den die Stiftung Augenlicht finanzierte. Ihre Spender machten diesen großartigen Einsatz möglich!
Doch von Anfang an:
Der gemeinsame Teil unserer 14-tägigen Reise begann in Istanbul. Von dort sind wir nach Dar-es-Salaam geflogen, wo uns die tansanische Kollegin Dr. Milka Mwafiri herzlich in Empfang nahm. Während ich in diese bunte, pulsierende ostafrikanische Großstadt eintauchte und unendlich viele neue Eindrücke aufnahm, besprachen Dr. Balmes und seine Kollegin letzte Details für ihre Vorträge, die sie auf dem 5. Jahreskongress der Tanzania Ophthalmology Society (TOS) präsentieren wollten. Auf der wunderschönen Insel Sansibar trafen sich die Augenärzte und weitere Fachkräfte der Augenheilkunde des Landes zum zweitägigen fachlichen Austausch. Es war beeindruckend zu erleben, wie hochmotiviert die jungen einheimischen Augenärzte ihre Vorträge präsentierten. Bei dieser Gelegenheit lernten wir auch bereits einen Großteil des tansanischen Teams aus Ndanda kennen, mit dem wir das Eye-Camp durchführen würden.
Von der Insel Sansibar mussten wir zuerst mit der Fähre zum Festland zurück, ehe wir per Auto über 600 Kilometer gen Süden fuhren. Der Weg zur Fähre war unerwartet spektakulär, da wir im Verkehrsstau stecken blieben und - um die Fähre noch zu erreichen – das letzte Stück mit Motorradtaxis zum Fähranleger gebracht wurden, jeder mit seinem Gepäckstück und Tagesrucksack bepackt, hinter dem Fahrer sitzend. Zum Glück ist bei dieser kurvenreichen und sehr abenteuerlichen Fahrt durch den dichten Verkehr sogar der mitgebrachten Spaltlampe nichts passiert! Dr. Balmes hatte sie bei Einreise nach intensiven, mühsamen Gesprächen in der Landessprache durch den Zoll bekommen und wir gaben beide Obacht auf diese wertvolle Fracht. Abends nach einer strapaziösen Tagesfahrt erreichten wir in Ndanda unser Ziel, die Missionsstation der Benediktiner mit dem großen Krankenhaus.
Am folgenden Mittag machten wir auf dem Weg nach Newala in Nyangao Halt, um im dortigen - auch von der Stiftung Augenlicht unterstützten - St. Walburg’s Hospital die Haag-Streit-Spaltlampe zu übergeben. Selbst am Sonntag wurden wir dort von einem Team freudig empfangen und stolz überall herumgeführt, so auch zum inzwischen eingerichteten Untersuchungsraum. Dort bekam die neue Spaltlampe nun ihren Platz neben einer älteren, sehr einfachen Untersuchungslampe, was vor allem die Augenkrankenschwester sehr glücklich machte.
Weiter ging’s in den Nachbardistrikt nach Newala. Die Region liegt im Bergland auf dem Makonde-Plateau in der Nähe zur Grenze nach Mosambik, wo uns viel Armut begegnete. Der Hilfseinsatz war mit Plakaten und Radioaufrufen in der Region bekanntgegeben worden, woraufhin sich 620 Patienten meist zu Fuß auf den Weg zum Krankenhaus gemacht haben. Dort durften wir für die kostenlosen Behandlungen die Räumlichkeiten in dem viertägigen Hilfseinsatz nutzen. Zum hochengagierten Team gehörten fünf Augenärzte (zwei aus Deutschland und drei aus Tansania), sechs Krankenschwestern, drei Optiker und zwei Techniker, die von morgens bis abends die Augen aller Patienten untersuchten und behandelten. Es wurden ca. 80 Patienten am Grauen Star operiert, indem in einer 15-minütigen OP die eingetrübte Linse entfernt wurde, wegen der der zumeist blinde Patient nicht mehr sehen konnte. Eine besonders berührende Geschichte wird uns von einer 70-jährigen Frau immer in Erinnerung bleiben. Sie war nach der Behandlung zu Tränen gerührt, da sie nach der OP erstmals ihr Enkelkind sehen konnte!
Bei 270 Patienten bestimmten wir die Sehstärken und die Optiker passten für 170 Patienten eine Brille an, davon 70 Lesebrillen. 100 weitere statteten wir mit Sonnenbrillen aus, die vor allem für die operierten Patienten wichtig waren. Gleichzeitig fanden Schulungen im Bereich der Früherkennung und Behandlung häufiger Augenkrankheiten für die Mitarbeiter statt.
Eine Besonderheit sind die Menschen, die ohne Pigmente geboren wurden (Albinismus). In der intensiven Sonne Afrikas sind die Augen bei ihnen genauso gefährdet wie ihre helle Haut. Um die Netzhaut vor Schäden zu schützen, ist das Tragen einer guten Sonnenbrille absolut notwendig. Ein kleiner betroffener Junge war glücklich, dass er fortan nun eine coole Sonnenbrille tragen sollte.
Leider gesellten sich zu den vielen erfolgreichen Behandlungen auch die traurigen Botschaften vom „weißen Doktor“: Nicht selten mussten wir den blinden Patienten, die wegen einer Glaukom-Erkrankung (dauerhafte Schädigung des Sehnervs durch einen zu hohen Augeninnendruck) erblindet waren, bestätigen, dass die tansanischen Kollegen mit der bereits von ihnen gestellten Diagnose leider recht behalten sollten. Um diesen schweren Erkrankungen vorzubeugen, hilft nur eine frühzeitige Diagnosestellung und regelmäßige Behandlung, die den Augeninnendruck senkt, um den Sehnerv zu schützen.
Da in vielen Regionen Tansanias der Weg zum Augenarzt eine große Hürde darstellt, sind solche mobilen Einsätze äußerst sinnvoll! Wird sogar zur kostenlosen Behandlung aufgerufen, macht sich auch der Letzte auf den Weg. Für viele Patienten, die dank des Eye-Camps nun wieder (besser) sehen können, bedeutet das in einem Land wie Tansania (ohne staatliche Unterstützungen), dass sie ihr Leben aktiv gestalten und vor allem für den Lebensunterhalt sorgen können!
Schön war die Erfahrung, dass die Hilfe in Tansania im Rahmen eines solchen Einsatzes wirklich bei den Menschen, die darauf angewiesen sind, ankommt!
Tief beeindruckt von dieser Reise und dem Hilfseinsatz kreisen die Gedanken nun darum, wie die Hilfe vor Ort in Newala, aber auch in Ndanda, noch intensiviert werden kann.
Besonders am Herzen liegt mir hier die Behandlung des Glaukoms. Und so ist bereits eine Spendensammlung gestartet, um für die Augenkrankenschwester in Newala ein eigenes Augeninnendruck-Messgerät (iCare) zu beschaffen, mit dem sie umgehen kann. Glaukom-Erkrankungen können damit entdeckt und einer Therapie zugeführt werden.
Über einen Beitrag zur Finanzierung dieses Gerätes auf das Konto der Stiftung Augenlicht (IBAN DE39 4036 1906 6105 6921 00, Verwendungszweck: „Spende iCare Newala“) würden wir uns alle sehr freuen.
Asante sana - Herzlichen Dank!
Dr. Gesine Kiefer